Geduld nötig, um positive Entwicklung der Kliniken zu erreichen

24. März 2022

SPD-Kreisvorstand befasst sich mit aktueller Situation von ANregiomed

In seiner jüngsten Sitzung, die angesichts der Rekordzahlen bei den Corona-Neuinfektionen ein weiteres Mal digital abgehalten wurde, beschäftigte sich der Vorstand des SPD-Kreisverbands Ansbach-Land mit dem Thema Gesundheitsversorgung. Dabei stand wiederum der Klinikverbund ANregiomed im Mittelpunkt.

Kreisrat Uwe Reißmann, der die SPD im ANregiomed-Verwaltungsausschuss vertritt, ging hierzu zunächst auf die aktuelle Situation im deutschen Gesundheitswesen ein, da man einen regionalen Klinikverbund auch immer in seiner Einbindung ins Gesamtsystem sehen müsse. „Es ist zu befürchten“, so Reißmann, „dass unser Gesundheitssystem kollabiert“. Die Gründe dafür seien mit drei Stichworten zu umreißen: Ineffizienz, Intransparenz, Bürokratie.

Dagegen fehle es keineswegs an Geld: Mit 400 Milliarden Euro jährlich habe man in Deutschland den mit Abstand höchsten Betrag in Europa, der für die Gesundheitsversorgung ausgegeben wird, und zwar auch unter Berücksichtigung der Einwohnerzahl. Entsprechend gebe es hierzulande die meisten Operationssäle und Krankenhausbetten. Andererseits jedoch sei Deutschland in der EU bei der Lebenserwartung nur auf Platz 17 von 27 und sogar Schlusslicht unter den westlichen EU-Staaten.

Eines der Probleme, die zu dieser unbefriedigenden Situation führen, ist nach Reißmanns Worten das veraltete deutsche Abrechnungssystem, das teilweise noch aus der Zeit der Bismarck’schen Sozialgesetzgebung im deutschen Kaiserreich stamme und dementsprechend nach den Prinzipien des Obrigkeitsstaates funktioniere. Überflüssige Kosten durch Doppelstrukturen und ausufernde Bürokratie sorgten dafür, dass allein ein Viertel des Gesamtaufwands, also 100 Milliarden Euro jährlich für das Verwaltungssystem anfielen.

Beispielhaft hierfür ist, dass jede Leistung codiert, decodiert und auf ihre Berechtigung geprüft werde. „15000 Menschen in Deutschland sind ausschließlich damit beschäftigt, 109 gesetzliche Krankenkassen gibt es bei uns – ein wahres Bürokratiemonster!“, führte Reißmann aus. „Da sind wir sogar weltweit führend.“ Diese und andere Hintergründe müsse man berücksichtigen, wenn man die Situation vor Ort, z.B. bei ANregiomed betrachte.

Das Abrechnungssystem bewirke außerdem, dass ein Krankenhaus immer bestrebt sein muss, die Verweildauer seiner Patientinnen und Patienten möglichst kurz zu halten, um Kosten zu sparen. Defizite bei Kliniken auf dem Land seien dabei nicht auf ein Überangebot an Krankenhausbetten zurückzuführen, denn dies gebe es nur in Ballungsgebieten, wo die Kliniken um Patienten konkurrieren. Vielmehr ergäben sich rote Zahlen dadurch, dass für Basisleistungen, also relativ einfache Fälle wie Blinddarmoperationen oder Knochenbrüche, hohe Vorhaltekosten bei geringer Vergütung entstehen. Viel besser sei dagegen die Situation der Privatkliniken, die sich auf lukrative Spezialfälle wie komplizierte Herz- oder Bandscheibenoperationen konzentrieren und dadurch viel gewinnbringender wirtschaften können.

Als Beispiel für mögliche Verbesserungen nannte Reißmann Finnland, wo durch Förderung von Fitnessprogrammen und andere Maßnahmen erreicht worden sei, dass die vorher sehr hohe Todesrate bei Herzerkrankungen um 85 % gesunken ist. So etwas werde in Deutschland aber durch starke Lobbyarbeit verhindert, denn dies sei nicht im Interesse von spezialisierten Kliniken, die dann z.B. profitable Herzkatheterlabore schließen müssten. „Solche Fehlanreize sind in Deutschland an allen Ecken vorhanden“, beklagte Reißmann. Hinzu komme noch ein drohender Pflegenotstand durch Überlastung und dadurch verstärkten Mangel an Arbeitskräften sowie fehlenden Nachwuchs.

Was nun ANregiomed angeht, so sei der Verbund seinerzeit geschaffen worden, da die Kleinteiligkeit der einzelnen Krankenhäuser nachteilig war. „Nach wie vor stehen alle Verwaltungsräte, auch die Ansbacher, hinter dem Modell mit den drei bzw. vier Standorten in Ansbach, Rothenburg, Dinkelsbühl sowie Feuchtwangen“, versicherte Reißmann. Jedoch sei es nicht mehr möglich, eine Rundumversorgung mit allen Leistungen in der Fläche vorzuhalten. Auf Nachfrage betonte er aber, die Notfallversorgung bleibe an allen Standorten zumindest so weit gewährleistet, dass eine Erstaufnahme immer stattfinden kann, um die Patientinnen und Patienten dann gegebenenfalls in die jeweils am besten geeignete Klinik zu verlegen.

Das Medizinkonzept werde nun umgesetzt mit dem Ziel, dass Dinkelsbühl und Rothenburg ein eigenes Profil entwickeln, um Spezialfelder abzudecken und Kompetenzzentren zu schaffen. Stattdessen soll eine Doppelversorgung künftig vermieden werden. Darüber hinaus hob Reißmann die große Bedeutung der Medizinischen Versorgungszentren und von deren Anbindung an die jeweiligen Krankenhäuser hervor, denn die Tendenz gehe zu immer mehr ambulanten Leistungen.

Trotz einer laut der jüngsten Untersuchung einer Unternehmensberatung stark verbesserungswürdigen Akzeptanz bei der Bevölkerung und eines für die nächsten Jahre weiterhin zu erwartenden Defizits im zweistelligen Millionenbereich zeigte sich Reißmann zuversichtlich, was die Zukunft von ANregiomed angeht. Gerade die Corona-Pandemie habe zuletzt gezeigt, wie leistungsfähig der Krankenhausverbund ist.

In der anschließenden Diskussion sprach unter anderem der Bürgermeister von Lichtenau, Markus Nehmer, die Problematik des in sich geschlossenen Gesundheitssystems an. Uwe Reißmann – Nehmers Vorgänger im Amt – bestätigte dies am Beispiel des Gemeinsamen Bundesausschusses im deutschen Gesundheitswesen (G-BA), in dem Lobbyisten dominieren würden, während Patientenvertreter kein Stimmrecht hätten. Nehmer fragte außerdem nach möglichen negativen Auswirkungen der Reduzierung des Angebots bei der Clinic Neuendettelsau an, die Uwe Reißmann im Hinblick auf mögliche Patientenströme als schwer abschätzbar einstufte. Abschließend stellte Uwe Reißmann fest: „Wir sind auf dem richtigen Weg, es braucht aber Geduld, bis die positive Entwicklung kommt.“

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